Vor einiger Zeit erzählte mir ein Patient, dass seine Frau neuerdings Brot selbst backen würde - Sauerteigbrot. Seitdem hätten sich seine Verdauungsbeschwerden gelegt.
Aufgrund dieser Geschichte beschäftigte ich mich näher mit den Zusammenhängen zwischen Weizen und Darmbeschwerden. Glutenintoleranz und Zöliakie zählen zu bekanntesten Störungsbildern. Die neuere Forschung hat darüber hinaus Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) im Fokus - Diese natürlichen Proteine kommen in modernen Weizensorten in besonders hoher Konzentration vor und können bei empfindlichen Personen das Immunsystem reizen und entzündliche Prozesse auslösen. Hierbei werden Elemente der angeborenen Immunabwehr aktiviert - Dendritische Zellen und Makrophagen.
In diesem Artikel erläutere ich, was ATIs sind, wie sie auf den Darm wirken und worauf Sie achten können, wenn Sie unter weizenbedingten Darmbeschwerden leiden – auch ohne Zöliakie.
Amylase-Trypsin-Inhibitoren (kurz: ATI) sind natürliche Nicht-Gluten-Proteine, die in Weizen und anderen Getreidearten vorkommen. Sie dienen der Pflanze als Schutzmechanismus gegen Schädlinge und Mikroorganismen, indem sie deren Verdauungsenzyme blockieren. Besonders moderne Weizensorten enthalten oft erhöhte Mengen dieser Proteine – vermutlich, weil sie gezielt auf Schädlingsresistenz gezüchtet wurden.
Aus medizinischer Sicht werden ATIs immer stärker untersucht, da sie das Immunsystem des Menschen aktivieren können. Anders als Gluten, das bei Zöliakiepatienten eine spezifische Autoimmunreaktion auslöst, reizen ATIs das sogenannte angeborene Immunsystem, insbesondere über den sogenannten Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4). Dies kann zu Entzündungsreaktionen im Darm führen, selbst bei Menschen ohne diagnostizierte Zöliakie – also bei der sogenannten nicht-zöliakischen Weizensensitivität.
Nicht alle Weizensorten sind gleich. Während alte Sorten wie Einkorn, Emmer oder Kamut seit Jahrtausenden kultiviert wurden, sind moderne Hochleistungssorten das Ergebnis intensiver Züchtung – vor allem mit dem Ziel, den Ertrag zu steigern, die Backeigenschaften zu verbessern und die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Schädlinge zu machen.
Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung: Moderne Weizensorten enthalten oft höhere Mengen an Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI). Es zeigte sich, dass Pflanzen mit mehr ATIs robuster gegenüber Insekten und Krankheiten sind – und daher bevorzugt wurden.
Alte Getreidesorten hingegen weisen von Natur aus einen geringeren ATI-Gehalt auf, was sie für Menschen mit sensibler Darmgesundheit oft besser verträglich macht. Auch Umweltfaktoren wie Bodenqualität, Anbaumethode oder Klima können den ATI-Gehalt beeinflussen – ebenso wie die Verarbeitung des Getreides (z. B. Sauerteig vs. industrielle Hefe).
In den letzten Jahren wurde intensiv zu ATIs geforscht – vor allem von Arbeitsgruppen rund um Prof. Dr. Detlef Schuppan, einem führenden Experten auf dem Gebiet der Zöliakie und Weizensensitivität.
Studienergebnisse zeigen:
ATIs aktivieren das angeborene Immunsystem über den Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4), was zu einer unspezifischen Entzündungsreaktion im Darm führen kann.
In Tierstudien (v. a. Mausmodellen) verursachte ATI-reicher Weizen Darmwandentzündungen, eine gestörte Darmbarriere und systemische Immunreaktionen.
Menschen mit Reizdarmsyndrom oder nicht-zöliakischer Weizensensitivität berichten über vermehrte Beschwerden (Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall) nach dem Verzehr von weizenhaltigen Produkten – obwohl keine Zöliakie vorliegt.
Heritage-Weizensorten wie Kamut oder Senatore Cappelli zeigen in Studien dagegen eine geringere Entzündungsaktivität und verbessern sogar bestimmte Gesundheitsparameter wie Blutfette oder Entzündungsmarker.
Allerdings: Die Datenlage ist noch nicht vollständig – und nicht jeder Mensch reagiert auf ATIs. Dennoch deuten die bisherigen Ergebnisse darauf hin, dass sie ein wichtiger Auslöser von Darmproblemen bei weizensensiblen Personen sein können.
Wenn Sie unter wiederkehrenden Verdauungsproblemen nach dem Verzehr von Weizenprodukten leiden – etwa Blähungen, Durchfall, Völlegefühl oder Bauchkrämpfen –, sollten Sie nicht vorschnell eine Zöliakie vermuten, aber dennoch aufmerksam sein.
Medizinische Abklärung
ATIs meiden durch gezielte Ernährung:
Traditionelle Verarbeitung bevorzugen
Tagebuch führen
Klinische Evidenz: Vielversprechend, jedoch häufig kleine Studien zu einzelnen Sorten; größere, unabhängige Studien fehlen noch.
Sofern Sie den Verdacht haben, an einer ATI-Sensitivität zu leiden, buchen Sie gerne eine Beratungstermin für eine differenzierte Diagnostik.
Quellen: