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Weizenbedingte Darmprobleme: Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) und ihre Wirkung auf die Darmgesundheit

Vor einiger Zeit erzählte mir ein Patient, dass seine Frau neuerdings Brot selbst backen würde - Sauerteigbrot. Seitdem hätten sich seine Verdauungsbeschwerden gelegt.

Aufgrund dieser Geschichte beschäftigte ich mich näher mit den Zusammenhängen zwischen Weizen und Darmbeschwerden. Glutenintoleranz und Zöliakie zählen zu bekanntesten Störungsbildern. Die neuere Forschung hat darüber hinaus Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) im Fokus -  Diese natürlichen Proteine kommen in modernen Weizensorten in besonders hoher Konzentration vor und können bei empfindlichen Personen das Immunsystem reizen und entzündliche Prozesse auslösen. Hierbei werden Elemente der angeborenen Immunabwehr aktiviert - Dendritische Zellen und Makrophagen.

In diesem Artikel erläutere ich, was ATIs sind, wie sie auf den Darm wirken und worauf Sie achten können, wenn Sie unter weizenbedingten Darmbeschwerden leiden – auch ohne Zöliakie.

2. Was sind Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI)?

Amylase-Trypsin-Inhibitoren (kurz: ATI) sind natürliche Nicht-Gluten-Proteine, die in Weizen und anderen Getreidearten vorkommen. Sie dienen der Pflanze als Schutzmechanismus gegen Schädlinge und Mikroorganismen, indem sie deren Verdauungsenzyme blockieren. Besonders moderne Weizensorten enthalten oft erhöhte Mengen dieser Proteine – vermutlich, weil sie gezielt auf Schädlingsresistenz gezüchtet wurden.

Aus medizinischer Sicht werden ATIs immer stärker untersucht, da sie das Immunsystem des Menschen aktivieren können. Anders als Gluten, das bei Zöliakiepatienten eine spezifische Autoimmunreaktion auslöst, reizen ATIs das sogenannte angeborene Immunsystem, insbesondere über den sogenannten Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4). Dies kann zu Entzündungsreaktionen im Darm führen, selbst bei Menschen ohne diagnostizierte Zöliakie – also bei der sogenannten nicht-zöliakischen Weizensensitivität.

4. Moderne vs. alte Weizensorten – Unterschiede im ATI-Gehalt

Nicht alle Weizensorten sind gleich. Während alte Sorten wie Einkorn, Emmer oder Kamut seit Jahrtausenden kultiviert wurden, sind moderne Hochleistungssorten das Ergebnis intensiver Züchtung – vor allem mit dem Ziel, den Ertrag zu steigern, die Backeigenschaften zu verbessern und die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Schädlinge zu machen.

Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung: Moderne Weizensorten enthalten oft höhere Mengen an Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI). Es zeigte sich, dass Pflanzen mit mehr ATIs robuster gegenüber Insekten und Krankheiten sind – und daher bevorzugt wurden.

Alte Getreidesorten hingegen weisen von Natur aus einen geringeren ATI-Gehalt auf, was sie für Menschen mit sensibler Darmgesundheit oft besser verträglich macht. Auch Umweltfaktoren wie Bodenqualität, Anbaumethode oder Klima können den ATI-Gehalt beeinflussen – ebenso wie die Verarbeitung des Getreides (z. B. Sauerteig vs. industrielle Hefe).

5. Klinische und wissenschaftliche Studien: Was sagen die Daten?

In den letzten Jahren wurde intensiv zu ATIs geforscht – vor allem von Arbeitsgruppen rund um Prof. Dr. Detlef Schuppan, einem führenden Experten auf dem Gebiet der Zöliakie und Weizensensitivität.

Studienergebnisse zeigen:

  • ATIs aktivieren das angeborene Immunsystem über den Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4), was zu einer unspezifischen Entzündungsreaktion im Darm führen kann.

  • In Tierstudien (v. a. Mausmodellen) verursachte ATI-reicher Weizen Darmwandentzündungen, eine gestörte Darmbarriere und systemische Immunreaktionen.

  • Menschen mit Reizdarmsyndrom oder nicht-zöliakischer Weizensensitivität berichten über vermehrte Beschwerden (Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall) nach dem Verzehr von weizenhaltigen Produkten – obwohl keine Zöliakie vorliegt.

  • Heritage-Weizensorten wie Kamut oder Senatore Cappelli zeigen in Studien dagegen eine geringere Entzündungsaktivität und verbessern sogar bestimmte Gesundheitsparameter wie Blutfette oder Entzündungsmarker.

Allerdings: Die Datenlage ist noch nicht vollständig – und nicht jeder Mensch reagiert auf ATIs. Dennoch deuten die bisherigen Ergebnisse darauf hin, dass sie ein wichtiger Auslöser von Darmproblemen bei weizensensiblen Personen sein können.

6. Was können Betroffene tun?

Wenn Sie unter wiederkehrenden Verdauungsproblemen nach dem Verzehr von Weizenprodukten leiden – etwa Blähungen, Durchfall, Völlegefühl oder Bauchkrämpfen –, sollten Sie nicht vorschnell eine Zöliakie vermuten, aber dennoch aufmerksam sein.

Empfehlungen bei Verdacht auf ATI-Empfindlichkeit:

Medizinische Abklärung

  • Zunächst sollte Zöliakie, Weizenallergie und andere Erkrankungen ausgeschlossen werden – ggf. durch Blutuntersuchungen, Antikörpertests und Stuhlproben.

ATIs meiden durch gezielte Ernährung:

  • Probieren Sie für einige Wochen ATI-arme Getreidealternativen wie Einkorn, Emmer oder Kamut – oft gut verträglich und nährstoffreich.
  • Auch Pseudo-Getreide wie Hirse, Buchweizen oder Quinoa sind gut geeignet.

Traditionelle Verarbeitung bevorzugen

  • Sauerteigbrot, das über viele Stunden fermentiert wird, enthält deutlich weniger aktive ATIs als industriell hergestelltes Brot.
  • Lange Gehzeiten und natürliche Fermentation können entzündungsfördernde Bestandteile abbauen.

Tagebuch führen

  • Ein Ernährungs- und Symptomtagebuch hilft, Muster zu erkennen und gezielter auf mögliche Unverträglichkeiten zu reagieren.

Klinische Evidenz: Vielversprechend, jedoch häufig kleine Studien zu einzelnen Sorten; größere, unabhängige Studien fehlen noch.

Sofern Sie den Verdacht haben, an einer ATI-Sensitivität zu leiden, buchen Sie gerne eine Beratungstermin für eine differenzierte Diagnostik.

Quellen:

Elli, Luca, Federica Branchi, Carolina Tomba, Danilo Villalta, Lorenzo Norsa, Francesca Ferretti, Leda Roncoroni, und Maria Teresa Bardella. „Diagnosis of gluten related disorders: Celiac disease, wheat allergy and non-celiac gluten sensitivity“. World Journal of Gastroenterology 21, Nr. 23 (21. Juni 2015): 7110–19. https://doi.org/10.3748/wjg.v21.i23.7110.
Zevallos, Victor F., Verena Raker, Stefan Tenzer, Carolina Jimenez-Calvente, Muhammad Ashfaq-Khan, Nina Rüssel, Geethanjali Pickert, Hansjörg Schild, Kerstin Steinbrink, und Detlef Schuppan. „Nutritional Wheat Amylase-Trypsin Inhibitors Promote Intestinal Inflammation via Activation of Myeloid Cells“. Gastroenterology 152, Nr. 5 (April 2017): 1100-1113.e12. https://doi.org/10.1053/j.gastro.2016.12.006.
Weizensensitivitäten: Wenn Weizen, Gluten und ATI krank machen

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